Sonntag, 8. April 2007
09.02.2007 - Ras' durch die Blume
Früher Feierabend, Führerschein da, also nix wie ab auf die Strasse. In diesem Zusammenhang kann also der Verkehr mal erwähnt werden. Würde ich ihn LOBEND erwähnen wollen, müsste ich mal kurz nachdenken. Achwas, da gibts doch gleich einen ganzen Haufen positiver Erfahrungen:

Nun gut, erstens: Man biegt an roten Ampeln rechts ab, ohne dass man dafür einen grünen Pfeil benötigt. Das wird reichlich genutzt, ich bin mir aber noch nicht ganz sicher, ob das auch so erlaubt ist.

Damit kommen wir zum zweiten positiven Aspekt des hiesigen Strassenverkehrs: Erlaubt scheint, was gefällt. Offensichtlich. Dass den Einheimischen Anderes gefällt als mir, mag ein Mentalitätsproblem sein oder eine Frage der Gewöhnung.

Dritter positiver Aspekt: Effiziente Nutzung des begrenzten öffentlichen Raumes. Wenn z.b. auf der Strasse 3 Fahrstreifen markiert sind, macht der Addis Ababaianer 4,5 - 5 raus. Das wiederum macht es überflüssig, auf Fahrstreifenmarkierungen zu achten, man fährt einfach ein paar cm vom Nebenmann entfernt und schafft sich somit einen temporären Fahrstreifen.

Vierter positiver Aspekt: Blau und Weiss, wie lieb' ich Dich. Die offenbar einzige Regel für Taxis & Minibusse ist die, dass diese blau-weiss gestrichen sein müssen. Da diese gern schonmal für 50% des Verkehrs gut sind, hat man ständig diese gern gesehenen Farben vor Augen. Manchmal plötzlicher als einem lieb ist, manchmal näher, als einem lieb ist, und immer gut besetzt.

Fünftens: Kindheitserinnerungen werden wach. Kein gutes Gedächtnis mehr ? Die Autoquartetts alle verloren, verschenkt oder verkauft ? Das macht doch nichts, hier finden sich alle Autotypen, die in den 70ern unsere Autoquartetts zierten, wieder, dafür muss man nichtmal ins Museum gehen, eine Spritztour durch die Stadt reicht für eine Handvoll Karten. Allerdings werden die meist nicht reichen, um viele Stiche damit zu machen, es sei denn man führt "Schadstoffausstoss", "Gesamtlaufleistung" u.ä. als Kategorie ein. Auch gibt es hier viele Fahrzeuge zu sehen, die noch Ihr ursprüngliches Nationalitätenkennzeichen Kennzeichen tragen, (D) und (NL) stellen deutlich die Mehrheit, mal sehen, ob ich noch eines meiner abgelegten Autos entdecke. Gern wird auch die alte Scheibenbeschriftung draufgelassen - "Dies ist ihr Neuer vom Autohaus Wieland", "TOYOTAlla Suomi kuljettaa" usf.

Sechstens: Keine Taschentücher dabei ? Rücke vor bis zur nächsten Ampel, warte dort einige Sekunden und jemand wird kommen, und Dir welche zum Kauf anbieten.

Siebtens: Benzinpreise! Bisher den Liter "Regular" für 7,70 Birr ( < 70 Eurocent ) getankt, und das mit Gutscheinen zu 100 Birr, die uns nur 68 Birr kosten.

Achtens: Wo kein KAT ist, kann auch keiner kaputtgehen.

Neuntens: Gelenkschonung. Wo man sonst umständlich zum Blinker greifen muss. reicht hier ein Druck auf die Hupe.


Negatives gibts natürlich auch zu berichten - aber nichts davon hatte bisher böse Auswirkungen, ich weiss auch nicht, ob das überhaupt wirklich "schlimme" Sachen sind:

- Nicht alle Strassen sind asphaltiert, wenn auch - besonders im Zentrum - die meisten. Uneben zwar, aber gut zu fahren. Leider sind die Schlaglöcher gerad auf den asphaltierten Strassen am grössten. Und am tiefsten. Richtig gross. Richtig tief. Und gegen die unasphaltierten Strassen hier sehen sogar die in Finnland noch prächtig aus.

- Wo der normale Äthiopier oft einfach nur schlecht Auto fährt, kommt bei Taxen und Minibussen noch Rücksichtslosigkeit und Eile dazu. Geblinkt wird hier ja sowieso nicht, aber der private Fahrer gibt doch meist schon ein bisschen mehr acht, und hält auch nicht so häufig am Strassenrand an um Leute ein- und auszuladen oder fährt ebenso plötzlich von dort wieder los.

- Beschilderung nur sporadisch, dann gern auch "nur" auf amharisch.

- Abgase: Dafür braucht man hier keine Meßgeräte, die kann man SEHEN.


Weitere, neutrale Beobachtungen:

- Hier gibt's Automarken, von denen ich nie zuvor etwas gehört habe.

- Jesus liebt fast alle.

- "Arsenal" und "United" sind die beliebtesten Fussballmannschaften.

- Esel, Ziegen und Menschen halten sich auf der Strasse meist - aber nicht immer - am rechten Rand auf. Fahren Ziegen im Auto mit, so ist Ihr Platz grundsätzlich auf dem Dach(gepäckträger).


Ein Ratschlag zum Schluss: Versuche nicht, zu wenden, wenn Du Dich in der Nähe eines Luftwaffenstützpunktes befindest, das lockt nur schwerbewaffnete Soldaten an und zieht langwierige Diskussionen nach sich. Habe Deinen Diplomatenpass immer bei Dir!

... comment